Trotz meiner auffallend grauen Haaren fühle ich mich mit knapp 38 eigentlich nicht alt. Gut, erste Anzeichen gibt es schon. Früher hat man zum Vorglühen eine halbe Flasche Jack Daniels inhaliert, heute krabble ich auf dem Zahnfleisch wenn ich zu stark an der Flasche rieche. Noch deutlicher wird es beim Essen. Noch vor ein paar Jahren habe ich beim Chinesen mein Essen in Sambal Olek ertränkt und das ganze mit Piri Piri garniert. Wenn sich heute ein Scheibchen Chillischote auf meinen Burger verirrt, fühlt es sich in meinem Magen an als ob ich in Salzsäure getränkte Rasierklingen in einen Fluss aus Lava schmeiße. Zweimal.
Entschuldigen Sie…
Das Siezen ist noch so eine Sache. Irgendwann haben die Leute damit angefangen, was sich vielleicht auch so gehört. Von „oben“ – also von älteren Menschen – hat das was Respektvolles. Ich kann mich noch daran erinnern wie ich es gefeiert habe, als die Lehrer in der Oberstufe angefangen haben uns zu siezen. Von „unten“ – also von jüngeren Menschen – hat das aber eine ganz andere Wirkung. Jedes mal wenn mich ein 20jähriger siezt, spüre ich das Verlangen mich in einen Ohrensessel zu setzen und beim Lösen eines Kreuzworträtsels um 18 Uhr einzuschlafen.
Doch am schlimmsten ist die Sprache. Ich habe das für Schwachsinn gehalten, besonders die „Jugendwort des Jahres“-Wahlen. Die waren für mich immer eine überspitze Darstellung der Realität. Eine Auflistung von in den Medien gehypten Worten, die sich so niemals in der Sprache finden. Ich lag sowas von falsch.
Lasst mich etwas ausholen. Ich sammle alte Spielkonsolen. Nicht um diese ausgiebig zu nutzen, vielmehr um Relikte meiner Kindheit und Jugend zusammenzutragen. Als „Gamer“ würde ich mich also nicht bezeichnen. Es kommt dennoch vor, dass ich mir das ein oder andere neue Spiel mal anschaue. So geschehen mit „Fortnite – Battle Royal“. Gemeinsam mit anderen Online-Opis ist da schon die ein oder andere Stunde eher sinnlos ins Nirvana geschickt worden. Da dies das aktuell beliebteste Multiplayer-Spiel ist, tummelt sich dort natürlich auch die Generation 2002 und abwärts. Und da es natürlich einen Sprach-Chat gibt hört man die auch reden.
Voll der Prachtswipe
„Digga, voll der Prachtswipe gestern, leider mit Blechpickel, aber sonst voll bengable, Digga“. Alle lachen. Nur ich schweige. Zum einen weil das Gespräch in unfassbarer Geschwindigkeit fortgesetzt wird, zum anderen weil ich damit beschäftigt bin mit den Satz stichpunktartig aufzuschreiben. So konnte ich mir die Übersetzung zusammen googlen: „Ich habe gestern ein sehr heißes Mädchen bei Tinder gesehen, leider mit Piercing im Gesicht, aber sonst gut für’s Bett“. Ich versuche den Gesprächen zu folgen. Nicht um dem Gelaber von minimalbehaarten Testestoronpumpen Interesse zu verleihen. Vielmehr fasziniert mich wie weit weg ich davon bin. Gemischt mit der spielinternen Umgangssprache ergibt sich etwas, dass ich tatsächlich als Fremdsprache bezeichnen würde.
Peinlich wird es, wenn alte Säcke sich einklinken und versuchen auf jung zu machen. „Epic fail“ (gnihihi). Das ist so als würde sich mein Vater in eine Skinny-Jeans quetschen und ein rosa Polo tragen. Kann man machen, sieht aber scheiße aus und passt einfach nicht. Und genau so ein Fehltritt hat mich veranlasst das Ganze hier zum nochmal Thema zu machen. Gesehen, heute bei Facebook:
Scrabble heißt jetzt „Buchstaben Yolo“
„Alles lit im Schritt“ ist der neue Werbeslogan. Testimonial ist Mc Fitti. Noch mehr kann man ja gar nich auf den rumgehenden Sprechdurchfall eingehen. Die Ironie schlechthin: Ein 70(!) Jahre altes Spiel, dass eigentlich für die Förderung der Sprachgewandtheit bekannt ist, schraubt das eigene Niveau unter den Meeresspiegel. Das ist der Opa in Skinny-Jeans. Mit gelber Sonnenbrille und hochgeklappter Snapback-Mütze.
Ich gehe jetzt den Duden küssen und denke darüber nach wie viel besser früher doch alles war.
Sowas machen alte Menschen nun mal.