Anstand kommt nicht von Anstellen

Einkauf - Kais Kolumne

Die Schlange an der Kasse: Inbegriff maximaler Zeitverschwendung, zwischenmenschliche Zerreissprobe, Zwangseinferchung verschiedenster Gattungen von Menschen.

Einkaufen ist ein notwendiges Übel. Meine Frau hasst es sogar. Im Grunde kaufe ich gerne ein, es entspannt mich, kommt meiner Konsumsucht zu Gute (traurig aber wahr) und ich werde oft positiv inspiriert – rein essenstechnisch. Für viele ist es wie die Serie „Lost“: Anfangs ist man gespannt was es Neues gibt, zwischendurch wird’s derbe langweilig, ab und zu sieht man mal was spannendes und das Ende ist komplett Scheiße. Beim Einkaufen ist das die Schlange an der Kasse.

Geschehen am Freitagabend. Nachdem ich mich gekonnt durch die Gänge des Marktes navigiert und meine Einkäufe in Rekordzeit eingetütet habe, kam ich zur Grenzkontrolle in den Kassenbereich. Von den theoretisch verfügbaren zehn Mautstellen waren wie üblich nur vier geöffnet.

Die Qual der Wahl

Kandidat eins fällt raus. Dort steht ein Pärchen in Partner-Look Frotteeanzügen mit einer LKW-Ladung Tiefkühlkost und der halben TIP Warenpalette vor dem Laufband. Weiter geht’s zu Kasse zwei. Die fällt auch raus. Die Schlange ist zwar überschaubar und der durschnittliche Warenkorb im erträglichen Bereich, aber die Kassiererin ist wie das Faultier Flash aus Zoomania. Nur etwas langsamer. Kasse drei. Der Mann vor mir führt offensichtlich einen Selbsttest mit biologischen Kampfmitteln durch. Der Schweiß muss älter gewesen sein als der Träger selbst. Ich wünsche mir den Rübenseuche zurück, die noch wenige Tage vorher meine Nase hermetisch versiegelt hat. Langsam kämpft sich das sperrliche Mittagessen gen Norden. Schnell zu Kasse vier.

Alle schien normal. Doch das zunächst sympathisch wirkende Mutter-Tochter-Gespann vor mir belehrte mich schnell eines Besseren.  Nachdem der Einkaufswagen geleert und die Gegenstände der Begierde auf dem Band platziert wurden, wurde der Wagen erstmal stehen gelassen. Natürlich hinter den beiden Grazien, so dass es unmöglich wurde nachzuziehen. Macht nix, ich hatte ja nur gefühlte 8 Kilo Einkäufe unterm Arm geklemmt (wie immer unplanmäßig viel). Ich habe mir dann irgendwann die Freiheit genommen, das Ding mit dem Fuß beiseite zu schieben, was mit einem deutlich abwertenden Blick gewilligt wurde.

Mysterium Warentrenner

Nächstes Problem: Der Warentrenner (So nennt man das Ding das zwischen den Einkäufen verschiedener Kunden liegt – wieder was gelernt!).  A: Wieso schaffen die Geldeintreiber am Ende des Bandes nie die Dinger durchzuschieben, damit der letzte Kunde dran kommt? B: Wieso brechen sich manche Leute einen Zacken aus der Krone wenn Sie das Ding selbst hinter den Einkauf legen?

So natürlich auch Lady Fies und Tochter Fieser. Konsequente Ignoranz. Gut, bin ja nicht auf den Mund gefallen. Also bitte ich mit dem mir maximal möglichen, höflichen Unterton ums Auflegen des Warentrenners. „Den watt?“ Mir war in dem Moment nicht klar ob sie mich anspucken will oder wirklich daran interessiert ist was ich meine. Ich spezifiziere meine Bitte und strecke meinen Zeigefinger auf das gewünschte Objekt, wohlwissend das ich mit der Aktion riskiere alles fallen zu lassen. „Komm ich nicht dran“.

Die etwa 17jährige Tochter, welche unmittelbar vor dem Teil stand, durchbohrte mich mit einem dümmlichen-hohlen Blick und war offensichtlich schon maximal gefordert damit ihre Atmung aufrecht zu erhalten. Wenn ich sie explizit gefragt hätte, wäre ihr vermutlich Blut aus der Nase gelaufen und sie wäre hinsichtlich der Überforderung kollabiert.

Ich habe also gewartet bis ich selbst die Möglichkeit hatte mich und meine Einkäufe von dem Duo Infernale abzugrenzen. Irgendwann war es dann auch geschafft.

Was lernen wir daraus? Anstand kommt ganz offensichtlich nicht von Anstellen.

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