Herr Ballonseide und Frau Know-It-All

Lemmy

Hundebesitzer belehren unheimlich gerne andere Hundebesitzer.

Diesen Eindruck bekomme ich oft, wenn ich mit unserem „Amcoaussilab“ Lemmy vor die Tür gehe. (Anm. der Red.: „American Collie – Aussi Sheppard – Labrador“ – sollte ganz klar eine eigene Rasse werden). Man muss vorausschicken, dass Lemmy ab und zu „seine dollen 5 Minuten“ bekommt und  dann die Aufmerksamskeitsspanne eines Eichchörnchens auf Extasy an den Tag legt. So auch am letzten Wochenende.

Ich öffne die Gartentür um kurz zur Mülltonne zu gehen und Lemmy rennt schneller an mir vorbei wie ein dickes Kind zum Eiswagen. Erstes Ziel war der Nachbargarten, welcher mit ein paar kurzen Spritzern erstmal zum Hoheitsgebiet erklärt wurde. Daraufhin folgte ein Sprint Richtung Wald, der nur unterbrochen wurde, weil ein entfernter Nachbar mit seiner bellenden Fußhupe auf der gegenüberliegenden Seite entlang lief. Lemmy also mit einem Satz rüber um das Tier auf Essbarkeit zu prüfen.

Ich brülle mir mittlerweile die Seele aus dem Leib und versuche mein Ärgernis hinter einem zwanghaften Lächeln zu verstecken, was ausgesehen haben muss als ich hätte ich einen Schlaganfall. „Der hört aber gut“, kam dann von dem Nachbarn.

Sakasmus – kann ich auch

Sarkasmus. Gut, kann ich auch, dachte ich mir. Da stand er in feinster 80er Jahre Ballonseide mit seinem vermeidlich überlegenden Grinsen. „Toller Anzug, Armani?“ lag mir auf den Lippen. Aber nein, der 2018er Kai bewahrt die Ruhe. Ich wollte mich nicht auf ein Gespräch über Hunde einlassen, mit jemanden der einen 3 Kilo Staubwedel an der Leine führt.

Seine Frau, die ein paar Schritte hinter dem Jogginganzug und der Bisamratte lief, hatte dann einen Tipp für mich: „Versuchen Sie es mal mit Leckerchen“. Wahnsinn. Das ich DA noch nicht drauf gekommen bin! Die Frau ist ein Genie! Martin Rütter kann einpacken, die nächste Hundeshow auf VOX heißt „Hundetipps von Frau Jogginganzug“. Ich sag ja, Sarkasmus kann ich.

„Ist der immer so?“ schoß er noch hinterher.  Auch auf diese Frage sind mit tausend Antworten eingefallen. Wieder besinnte ich mich auf meine guten Vorsätze und zwang mir ein „Kommt schon mal vor“ raus. „Ich würde dem ja die Leviten lesen“, ergänzte die Dame mit einem Unterton, der Gewaltphantasien in mir auslöste.

Das drohende Gespräch über Hundeerziehung würgte ich mit einem „nen schönen Tag noch“ direkt ab. So zogen Herr Ballonseide, der keifende Kauknochen und Frau Rütter von dannen. Mittlerweile hatte ich mein 30 Kilo Eichhörnchen wieder eingefangen. Ich feiere mich selbst für meine neue zurückhaltende Art, auch wenn mir ein kleines Wutpickelchen auf der Stirnader gewachsen ist.

Das nächste mal versuche ich es einfach mit Leckerchen.