Die Karten für das Fanta 4-Konzert haben sich nach über einem Jahr schon um den Kühlschrankmagneten gewickelt, geschützt von einer Schicht aus Bratfett und Hausstaub.
Nun ist es endlich soweit. Mutti und Vatti gehen auf’e Rolle. An einem Donnerstag. Die Zeit, die man sonst vorher zum vorglühen genutzt hat, benötigt man nun um dem Babysitter die Funktionsweise diverser Kindersicherungen an den Schränken zu erklären. Aber das bremst die Vorfreude nicht aus.
Auf geht’s
Erster Halt: Supermarkt. Das Weg-Bier wird durch einen Schwung Energy-Drinks ersetzt, schließlich ist man im Vatti-Modus und damit kurz vor Systemabsturz, so mitten in der Nacht um 17 Uhr. Dann noch ein schneller Stopp beim Burger-König und ab auf die Bahn.
17:30 Uhr – Check-In in der Köpi-Arena. Schnell ist jemand gefunden dem ich meine Armbanduhr und eine Hypothek auf unser Haus verkaufe, um dann den Gewinn in zwei kleine Cola im formschönen Fan-Eimer investieren zu können. Snacks wären nicht schlecht, aber ich hatte weder meinen Fahrzeugschein noch irgendwelche Wertpapiere in der Tasche.
Die Halle ist noch ziemlich leer. Früher wurden taktische Kriegspläne für die Stehplatzwahl ausgerollt: Freie Sicht zur Front, unmittelbare Nähe zum Versorgungszentrum und zur Latrine und optionale Wege für einen eventuell notwendigen Rückzug. Heute stellen wir uns halbrechts außen an den Wellenbrecher und achten nur darauf das der Weg zum Klo kein Staatsakt wird.
Das Publikum
Die Fantastischen Vier sind seit knapp 30 Jahren im Geschäft. Das sieht man auch am Publikum. Von 8 bis 80. Da fliegt wirklich alles auf die Bühne – Teddys, Schlüpper, BH’s, Stützstrümpfe, Rollatoren, Inko-Windeln. Bei der Vielfalt ist es ein unvorhersehbares Glücksspiel welcher Typ Mensch sich neben dich stellt. Wir hatten Pech. Rechts neben uns machen sich zwei Damen breit, Typ Gülcan Kamps, und startet eine nie enden wollende Konversation über gefühlt alle Themen der Welt. In einer Tonlage irgendwo zwischen Staubsauger und Kreissäge. Hinter uns platzieren sich drei ordentlich angeschossene Mitt-Vierziger und fluten den Raum mit ihrem Eau der Toilette. Wobei damit tatsächlich die Toilette gemeint ist. Mit dem Duft von Bier und Schweiß in der Nase und einem schmerzhaften Tinnitus im Ohr wirkt es fast erlösend als DJ Thomilla sein Programm startet.
Um kurz nach 20 Uhr fällt dann der Vorhang und die Fantas starten mit einem Song vom neuen Album. Dumm, wenn man verpennt hat sich das mal anzuhören. Mit „Was geht?“ folgt ein Klassiker der die Masse springen lässt. Nur meine Masse nicht. Die Erdanziehungskraft ist definitv höher wenn man sich keinen reinstellt. Und von wegen Red Bull verleiht Flügel. Egal, ich lasse die leicht angetauten Knie knacken und schmeiße die Arme in die Luft. Das erinnert mich an früher, als man noch damit beschäftigt war auf Betriebstemperatur zu kommen und mit dezenten Hüftschwung am Rand der Tanzfläche stand. Nur um dann irgendwann voll wie ein russischer Busfahrer den Dancefloor zu zerstören. Aber zurück zum Event.
Die Band liefert ab und ich bekomme Nackenschmerzen vom exzessiven Kopfnicken. Jetzt ein Bier. Oder ein ABC-Wärempflaster. Damn, I’m such a Rockstar.
Bei mir unbekannten Songs nutze ich zwischendurch die Zeit um Leute zu beobachten. In unmittelbarer Nähe kann ich beobachten wie ein Familenvater/ Steuerberater sich in 90 Minuten in einen englischen Mallorca-Touristen verwandelt. Dazwischen liegen halt manchmal nur 2,5 Liter Hopfenkaltschale. Bei der Versorgungsfrequenz aber auch kein Wunder. Alle 3 bis 4 Minuten quetscht sich ein Kaltgetränkeauslieferungsfachmann mit Bauchladen an uns vorbei. Im Gepäck 38 Bier und zwei Cola. Der Typ hat mehr Anziehungskraft als ein Schnitzel in einer Weight Watchers Selbsthilfegruppe.
Die älteren Herren auf der Bühne machen dann zeitig Schluss und liefern noch eine Zugabe aus zwei Songs, wobei ich den Spieldauer des zweiten Songs brauche um mich den Rang hochzuschleppen. Nüchtern. Rock‘ n Roll.
Rundum ein sehr cooler Abend und ein fettes Konzert – auch ohne 3 atü Druck auf dem Kessel. Ich freue mich jetzt schon auf Rammstein und Metallica. Aber das Experiment „Nüchtern auf einem Konzert“ erkläre ich vorher für beendet ;-).
Anm.d.Red.: Bitte betrachten Sie meine Haltung bezüglich der Notwendigkeit des Alkoholgenusses auf Musik-Veranstaltungen als humoristisches Stilmittel. Eine Debatte über den Missbrauch von Alkohol ist nicht notwendig. Den Glückskeks-Spruch „Man kann auch ohne Alkohol Spaß haben“ dürfen Sie sich gerne an den Kühlschrank hängen. Vielen Dank, Ihr Chef-Redakteur