Auf dem Weg zu Arbeit mache ich jeden Morgen einen Schlenker zum REWE-Markt, um mich kulinarisch für die nächsten 9 Stunden Büroarbeit einzudecken. Wenn ich dann aus dem Laden komme habe ich zwei Optionen: Den kurzen Arbeitsweg, voller Gefahren oder den etwas längeren, einfacheren Weg.
No Risk, No Fun
Ich setze mich in mein Auto und blicke die kurze Straße hinauf, die ich passieren muss um die zielführende Landstraße zu erreichen. Da sind Sie schon. Sie treten in großen Rudeln auf. Kompromisslos, nur Ihr eigenes Fortkommen im Sinn. Kein Bordstein ist zu hoch, keine Sperrzone is sicher, nicht mal Geh- und Fahrradwege werden verschont. Das angrenzende Wohngebiet wird zum Bienennest. Der Blick über Mordor bis hin zum Schicksalsberg.
Angriff der Helicopter-Eltern
Mein Weg führt über eine ca. 200 Meter lange Straße. An dieser befinden sich allerdings zwei Kindergärten und eine Grundschule. Hinzu kommt eine Bushaltestelle und – als Einstieg – eine Bäckerei, die Einzige um Umkreis. Gefühlt halten sich dort morgens mehr Menschen auf, als bei nem Primark-Schlußverkauf kurz nach Gehaltseingang. Alles kein Ding, aber ein Phänomen hat sich erst in den letzten Jahren entwickelt: Helicopter-Eltern. Die Spezies zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass Sie es für sinnvoll hält den Nachwuchs mit dem Auto zur Erziehungsstätte zu fahren. Egal wir kurz der Weg ist.
Ich frage mich ständig was das soll. Gut, ein paar Hundert Meter Fußweg sind vermutlich eine große Herausforderung. Was kann da nicht alles passieren! Das Smartphone könnte runterfallen, wenn die Kleinen beim facebooken stolpern und in einen Bordstein beissen. Zudem könnten sich ungewollt Selbstvertrauen und Eigenständigkeit entwickeln, und das auch noch ohne Likes auf Instagram. Die Verkehrsregeln kann man ja googlen. #alleinzurschule #ranzenvollschwer #meineelternsindkacke
Vielleicht liegt’s aber auch an dem Wetter. Bei unter 22 Grad ist es aber auch wirklich zu kalt. Und ohne Sonnenschutz kann man sich ja ab 24 Grad verbrennen. Vielleicht liegt es auch an der Zeit. Natürlich haben die Grundschul-Kids von heute morgens viel zu tun: Aufstehen, Status-Update, fertig machen, Status-Update, ordentlich frühstücken – ein BMI von 35 erreicht sich nicht von allein – Status Update. Da wird’s schon mal eng – und das nicht nur im Bob der Baumeister Pulli. Dann die 350 Meter Fahrt mit dem 3 Liter Turbo-Diesel SUV, um sich möglichst nah am Eingang absetzen zu lassen. Ein Fahrverbot für Eltern die im Umkreis von einem Kilometer wohnen, würde mehr zur Feinstaubbekämpfung beitragen, als ein Einfuhrverbot von Containerschiffen in Hamburg.
Sport ist Mord
Ich stehe im Mini-Stau, zwischen wild-gestikulierenden Eltern und angepissten Busfahrern. Wohlwissend das die nette ältere Dame mit der Schülerlotsen-Uniform über den weiteren Fortgang entscheidet, nehme ich mir die Zeit mich umzuschauen. An der Bushaltestelle tummeln sich ca. 10 Kinder. Auf Grund exessiver Sportbefreitheit, sehen die 10 kleinen Jägermeister aus wie Bowling-Pins die auf’s Umkegeln warten. Bewegungslos starrt gut die Hälfte auf das eigene Smartphone. Schon krass. Mit neun Jahren hatte ich das technische Verständnis eines Neandertalers und habe mich lieber mit Weit-Rotzen oder Catch-Karten profiliert. Hogan rules! Ein dünnes Kind steht mit einem Tretroller etwas abseits. Anscheinend werden heutzutage die Dünnen gemobbt – ich lebe einfach in der falschen Zeit! Dieses ästhetische Ignoranz tragen viele mit in die Pubertät. Anders kann ich mir nicht erklären wieso sich 14 -Jährige Muffin-Vernichter in Hüfthosen quetschen, die ihnen mir neun schon zu eng waren. Aber von schräg-links-oben fotografiert geht’s ja.
Nachdem die Eltern ihr Kind fachgerecht in Noppenfolie gewickelt und zum Eingang getragen haben, geht es auch endlich weiter. Gefühlt durch die Kölner Innenstand gefahren, erreiche ich die Landstraße.
Das ernste Resumée
Grundlegend habe ich Verständnis dafür, dass Eltern bei schlechtem Wetter ihre Sprösslinge zur Schule fahren. Auch wenn der Schulweg einfach zu lang ist. Vielleicht liegt es auch auf dem Weg zur Arbeit (wobei ich das nicht mal unbedingt als Grund akzeptieren würde). Aber schaut man sich das Durchschnittskind von heute an, sollte das zu denken geben. Mangelndes Selbstvertrauen, schlechte Kondition, Hobbys sind eher „digitaler Natur“. Ich bin für mehr „real life“. Gespräche mit Freunden kann man auf dem Schulweg führen, dafür braucht man kein WhatsApp. Das mag alles altmodisch klingen, mit meinem beruflichen Hintergrund sogar fast ironisch. Aber wenn man bedenkt, wie wenig sich die Kinder von heute draußen aufhalten, sollte man doch jede Gelegenheit nutzen sie dazu zu bringen. Und bitte schickt eure Kinder zum Sport. Versucht sie für Bewegung zu begeistern. Der von mir spaßig angerissene, ästhetische Faktor ist eine Sache, aber viel mehr geht es doch um die Gesundheit. Ich nehme mir das für meine Tochter fest vor – „Versuch‘ macht kluch“, hat schon die Oma immer gesagt.